Zen Dojo Zürich

 Meine Lehre beruht auf zwei Punkten. Erstens: nie etwas behaupten, das man nicht selbst erfahren hat. Zweitens: nie etwas sagen, was anderen nicht hilft.

Buddha stammte aus einer adligen und reichen indischen Familie und trug den Namen Siddharta, was bedeutet »Erfüllung aller Wünsche«. Verstört durch die Leiden der Lebewesen, und der Erkenntnis, dass die oberflächlichen Freuden dem Menschen kein wahres Glück bringen können, verließ er mit neunundzwanzig Jahren seine Familie, um den Weg zu suchen. Nach sechs Jahren der Suche und der Askese, am Ende seiner Kräfte, verstand er, dass der Mensch durch diese Praktiken die Befreiung vom Leiden nicht finden konnte. So setzte er sich in der Lotushaltung unter den Bodhi-Baum, mit dem festen Entschluss, sich nicht wieder zu erheben, bevor er das Grundproblem des Lebens vollkommen gelöst hätte. Unbewegt und in tiefer innerer Stille, verwirklichte er die Erweckung. Ohne etwas zu suchen oder zu fliehen, ohne Trennung zu erschaffen, sah er die Dinge so, wie sie sind, das heißt in der unbegrenzten Wirklichkeit des Seins, und wurde so zu Buddha, dem Erwachten.

Die Lehre Buddhas hat ihre Quelle in seiner gelebten Erfahrung. Zur Zeit Shakyamunis gab es zahlreiche philosophische Systeme und Religionen, die Gegensätze und Dispute mit sich brachten. Jede hatte ihre eigene Doktrin der absoluten Wahrheit und behauptete, dass die anderen Lehren irrig seien. Buddha erklärte solche Dispute für hohl und hielt von jeder metaphysischen Diskussion Abstand. Diese Fragen schienen ihm nicht der Kern einer authentischen Suche nach Weisheit zu sein, denn sie legten einen Abstand zwischen dem Menschen und den Weg, der ihn vom Leiden befreit. Seine Argumente stützten sich auf zwei Punkte: nichts behaupten, was nicht sicher ist; nichts behaupten, was für die Menschen nicht nützlich ist. Man kann Buddha mit einem Arzt vergleichen, der der kranken menschlichen Natur eine Kur vorschlägt. Er hatte nicht die Absicht, eine neue Religion zu erschaffen, sondern dem Menschen zu helfen, die Quelle seines Leidens zu verstehen und sich davon zu befreien.

Ich bin in dieses Land gekommen, um das Dharma weiterzugeben und um es vom Irrtum zu befreien. Eine Blume öffnet fünf Blütenblätter, die Frucht reift von selbst.

Nach 28 Generationen von Schülern des Buddha Shakyamuni führte Bodhidharma am Anfang des sechsten Jahrhunderts das Zen in China ein. Er ist der 28. Nachfolger, der das Kesa erhielt und wurde der erste Patriarch des Zen in China. Die Legenden um Bodhidharma sind reichhaltig. Ob sie historisch authentisch sind oder nicht, in der Zen- Lehre haben sie eine tiefe Bedeutung erlangt. Bodhidharma war Dharma-Erbe des Hannyathara und begab sich in einer langen und beschwerlichen Reise nach China. Frühen Berichten zufolge war er damals bereits hundert Jahre alt.

Zen verstehen ist sich selbst verstehen. Sich selbst verstehen ist sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen ist mit den zehntausend Dingen eins zu sein

Dogen Zenji (1200-1252) ist eine der bedeutendsten religiösen Persönlichkeiten des Ostens und wird von allen buddhistischen Schulen anerkannt. Im politisch unruhigen Japan des 13. Jahrhunderts als Sohn einer aristokratischen Familie geboren, verlor er seine Eltern früh. Beim Anblick des Rauchs, der von einem Räucherstäbchen am aufgebahrten Leichnam seiner Mutter aufstieg, wurde er tief getroffen von der Unbeständigkeit aller Dinge und der Bedeutungslosigkeit weltlicher Anliegen. Dem letzten Wunsch seiner Mutter entsprechend, verzichtete er auf eine politische Karriere und wurde mit dreizehn Jahren Mönch.

Seine Suche nach der Essenz der buddhistischen Lehre führte ihn zehn Jahre später nach China, wo er seinem Meister Tendo Nyojo begegnete, mit dem er bis zu dessen Tod praktizierte. Als Nachfolger von Nyojo nach Japan zurückgekehrt, bezeugte er seine Erfahrung mit folgenden Worten, die ein Ausdruck der Rückkehr zum Normalzustand von Körper und Geist sind, der Übereinstimmung mit dem kosmischen Leben: „Ich bin mit leeren Händen wiedergekommen. Alles, was ich euch sagen kann, ist dieses: Die Augen sind waagrecht und die Nase ist senkrecht. Morgen für Morgen geht im Osten die Sonne auf, und der Hahn schreit in der Dämmerung. Jedes vierte Jahr hat der Monat Februar neunundzwanzig Tage.“

Er zog sich in den Tempel Kennin-ji zurück und schrieb das Fukanzazengi, "Die universellen Regeln für die Zazen-Übung". In China hatte er realisiert, dass Zazen alles einbeziehen und die Quelle aller Handlungen des Alltags sein muss - dass der Weg hier und jetzt ist, in der Ausübung jeglicher Sache. Einige Jahre nach seiner Rückkehr nach Japan gründete er Eihei-ji, den „Tempel des ewigen Friedens“, der noch heute einer der beiden Haupttempel des Soto-Zen ist.

Kurz gesat, geht es im Zen um dich – um dein Leben, um deine Wirklichkeit. Es geht nicht um Gautama Buddhas Leben und auch nicht um das von Meister Dogen. Zen bietet keine aussergewöhnlichen Lehren oder spirituellen Erfahrungen – nur die schlichte, grenzenlose Wirklichkeit, die du in jedem Augenblick verwirklichst.

Kodo Sawaki (1880-1965) verlor früh seine Eltern und musste bereits als Kind seinen Lebensunterhalt in der Obhut des Freundes eines Onkels unter Glücksspielern bestreiten. Nachdem er den Tod eines alten Mannes in einem Bordell erleben musste, kamen ihm die Unbeständigkeit des Lebens  und die Absurdität eines solchen Todes zu Bewusstsein. Ohne Familie, ohne Freunde, ohne Geld, 16 Jahre alt, begab er sich zu Fuss zum Tempel Eihei-ji. Erst nur als Diener akzeptiert, wurde er 1897 zum Mönch ordiniert. Später zog er sich in eine verlassene Einsiedelei zurück, da er enttäuscht erkennen musste, dass das Üben von Zazen aus dem japanischen Zen praktisch verschwunden war. Er schlief wenig, verbrachte seine Tage und Nächte damit, Zazen zu praktizieren und die Unterweisungen von Meister Dogen zu studieren.

Nach Jahren solchen Lebens begann er umherzureisen und die Lehre überall in Japan zu verbreiten, in Grosstädten und Fischerdörfern, in Universitäten und Gefängnissen, und machte so die Praxis von Zazen auch für Laien zugänglich. Da er sich nirgends niederlassen wollte und stets allein unterwegs war, nannte man ihn „Kodo ohne Bleibe“. Mit 55 Jahren wurde er als Professor an die Buddhistische Komazawa-Universität berufen und schliesslich auch einer der Verantwortlichen für die Unterweisung im Tempel Soji-ji, einem der beiden Haupttempel des Soto-Zen in Japan. Kodo Sawaki wurde für sein einfaches und freies Leben in ganz Japan respektiert und bewundert. Viele Schüler folgten ihm, unter ihnen Yasuo Deshimaru. 1965, als Kodo Sawaki im Sterben lag, bat er Deshimaru, ihm nachzufolgen und das ursprüngliche Zen in der westlichen Welt weiterzugeben, die reine Übung von Shikantaza, die im traditionellen Tempelsystem jener Zeit fast vergessen war.

In unserer verwirrten Welt Zazen zu üben bedeutet, zur wahren Dimension des Menschen zurückzukehren, und das grundlegende Gleichgewicht seiner Existenz wiederzufinden.

Taisen Deshimaru (1914-1982) wuchs auf der Insel Kyushu auf. Im Gegensatz zu seinem Meister Kodo Sawaki hatte er eine glückliche Kindheit erlebt. Dennoch beschäftigte ihn bereits in jungen Jahren der Widerspruch zwischen dem religiösen Geist seiner Mutter und der materialistischen Welt seines Vaters. Der von der Mutter praktizierte Amida-Buddhismus befriedigte ihn genauso wenig wie seine spätere Beschäftigung mit dem Christentum. Auf der Suche nach einem authentischen geistigen Weg begegnete er schliesslich dem Zen-Meister Kodo Sawaki und wurde dessen Schüler.

30 Jahre lang folgte Taisen Deshimaru seinem Meister und praktizierte mit ihm bis zu dessen Tod im Jahr 1965, während er zugleich sein Leben in der Gesellschaft weiterführte. Kodo Sawaki hatte Deshimarus Wunsch, zum Mönch ordiniert zu werden, lange zurückgewiesen. Er erkannte in ihm einen wahren Sucher des Weges und wollte nicht, dass er zu einem professionellen Mönch im traditionellen Tempelsystem würde, wie es im institutionalisierten Zen Japans üblich ist. Erst kurz vor seinem Tod ordinierte Kodo Sawaki ihn deshalb zum Mönch und bat ihn, das lebendige Zen in eine frische Erde einzupflanzen.

Zwei Jahre später folgte Taisen Deshimaru der Einladung einer Gruppe von Makrobiotikern, nach Paris zu kommen. Er lebte sehr einfach, bot Shiatsu-Massagen an, begann die Praxis von Zazen zu unterweisen und konnte bald das erste Dojo eröffnen. Zen war damals im Westen lediglich einer Minderheit von Intellektuellen aus Büchern bekannt. Deshimaru bemühte sich darum, das Zen allen Menschen zugänglich zu machen und knüpfte zahlreiche Kontakte zu bekannten Wissenschaftlern, Künstlern und Politikern seiner Zeit.

Während seiner fünfzehnjährigen Lehrtätigkeit in Europa gründete Meister Deshimaru über hundert Dojos und schuf mit Hilfe seiner Schüler in Frankreich den ersten grossen Zen-Tempel Europas, La Gendronnière. Auf der Basis seiner Unterweisungen wurden grundlegende Texte des Zen zum ersten Mal in europäische Sprachen übersetzt, kommentiert und publiziert. Er erhielt die offizielle Bestätigung der Dharma-Übermittlung von Yamada Reirin, dem Abt von Eihei-ji. In Japan berief man ihn zum kaikyosokan, dem Verantwortlichen der Unterweisung für Europa.

Taisen Deshimaru brachte die Essenz des Zen in seiner ganzen Frische und Ursprünglichkeit nach Europa und wurde deshalb in Japan als der „Bodhidharma der modernen Zeit“ bezeichnet. Der Tradition der alten Meister folgend verstand er es, die authentische, überlieferte Zen-Unterweisung dem westlichen Geist zugänglich zu machen. Durch Jahrzehnte der Praxis mit seinem Meister Kodo Sawaki, zugleich ein gesellschaftliches Leben führend, gelang Taisen Deshimaru die Verbindung von Materiellem und Geistigem, deren Gegensatz ihn in seiner Jugend so sehr beschäftigt hatte. Diese Synthese wurde zum Kernpunkt seiner Unterweisung in Europa, wo er das ideale Umfeld fand, ein Zen zu verbreiten, das im alltäglichen Leben verwurzelt und in der Gesellschaft präsent war. Oft sagte er: "Macht keine Trennung zwischen dem Geistigen und dem Materiellen. Ihr müsst die Widersprüche umfassen!"

Es war das grosse Anliegen von Meister Deshimaru, mit der Verbreitung der Praxis des Zen zur Bewältigung der aktuellen Krise der Zivilisation beizutragen. Er hatte den tiefen Wunsch, den heutigen Menschen zu helfen und sie durch Zazen zu einem tieferen Verständnis ihrer Selbst und ihres Lebens zu führen. Die Sommer-Übungsperioden, deren Tradition bis zu Buddha Shakyamuni zurückreicht, ermöglichten so im Laufe der Zeit Tausenden von Teilnehmern die Erfahrung der authentischen Praxis. Taisen Deshimaru starb 1982 in Japan. Seine letzten Worte vor der Abreise waren: "Continue Zazen eternally!"

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